drei Personen lesen einer Zeitung

Vorstandsbericht „Aktuelles aus der Jugendpolitik“

Jugendpolitische Rede von Alexander Strobel bei der VV 1/2025

-- Es gilt das gesprochene Wort --

Liebe Delegierte,
liebe Gäste,

wo beginnt man in diesen Zeiten eine jugendpolitische Rede?

Margot Friedländer ist am Donnerstag verstorben. Mit 103 Jahren hat sie bis zuletzt Jugendliche über den Holocaust und ihre Erlebnisse dieser Zeit aufgeklärt und vor Hass und Antisemitismus gewarnt. Sie hat jedoch in all dem nicht verbittert auf ihr Leben zurückgeblickt, sondern mahnend nach vorne. „Seid Menschen“, war ihre eindringliche Bitte an all die Menschen, die sie durch Berichte und Erzählungen beeindruckt hat. In Gedenken an Margot Friedländer bitte ich die Vollversammlung nun für eine Gedenkminute aufzustehen und ihr die letzte Ehre zu erweisen.

[es folgt eine Schweigeminute]

Wo beginnt man in diesen Zeiten eine jugendpolitische Rede?

Vielleicht mit der Wahl von Präsident Trump in den USA, der wie selbstverständlich nicht nur Institutionen und Organisationen in Frage stellt, sondern schlicht wahrnehmbar nur noch über Dekrete und nicht mehr über Demokratische Prozesse zu regieren scheint. Und wo sich Menschen mit Macht und Menschen mit Geld – in dem Fall mit sehr viel Geld – treffen, kommt für die Menschen insgesamt meist auch nichts mehr Gutes dabei raus. Und seit gestern wissen wir, dass nun auch noch der neue Papst „Leo der 14.“ aus den USA kommt.

Aber als Landesjugendring versuchen wir, meist die Ebene in den Blick zu nehmen, die unmittelbar mit Baden-Württemberg zu tun hat. Da ist die Bundesregierung bzw. die Neuwahl zum Bundestag für uns mit Sicherheit noch relevanter. Der konservative Rechtsruck, verbunden mit einem zum Teil fließenden Übergang zum Rechtsextremismus, macht mir große Sorgen.

Wo hört Konservatismus auf und wo beginnt der Rechtsextremismus? Wenn man als Partei über eine Anfrage versucht, gemeinnützigen Organisation das Recht abzusprechen, sich zu tagespolitischen Themen äußern zu dürfen, dann erweckt das den Eindruck, man möchte unliebsame Meinungen zur eigenen Politik ausschalten. Da ist für mich in dieser Pauschalierung eine Grenze überschritten worden. In die Fußstapfen der CDU ist dabei mittlerweile natürlich auch die AfD getreten und hat am 3. März 2025 im Landtag eine kleine Anfrage zur „Politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ gestellt (Drucksache 17/8469).

Dabei wurde jüngst die AfD vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Am Donnerstag hat der Verfassungsschutz eine Stillhaltezusage abgegeben. Bis zu einer Gerichtsentscheidung führt daher der Verfassungsschutz die AfD vorerst wieder als Verdachtsfall. Der Hauptausschuss des Bundesjugendrings fordert schon seit 4. Juni 2024, ein AfD-Parteiverbotsverfahren einzuleiten. Dieser Haltung hat sich der Landesjugendring damals wie heute angeschlossen.

Am Donnerstag wurde der 80. Jahrestag zum Ende des Zweiten Weltkriegs begangen. Seitdem leben wir in Deutschland in Frieden. Das ist auch ein Verdienst des Friedensprojektes „Europa“. Und leider liest man fast täglich über neue Kriege in der Welt.

Frieden ermöglicht Kindern und Jugendliche eine Perspektive – die sollten wir uns nicht kleinreden lassen. Wir haben Herausforderungen in Deutschland und Baden-Württemberg – aber wir können sie als Demokrat*innen meistern und müssen nicht täglich den Weltuntergang prophezeien.

LKJHG-Novellierung

Damit will ich gerne zu Baden-Württemberg kommen. Wir haben uns intensiv in die Novellierung des Kinder- und Jugendhilfegesetz für Baden-Württemberg (LKJHG) eingebracht. Das LKJHG ist Teil des deutschen Kinder- und Jugendhilfesystems und dient der Umsetzung der Vorschriften des Bundessozialgesetzbuchs (SGB VIII) im Land Baden-Württemberg.

Die Novellierung wurde in einem großen Beteiligungsprozess durchgeführt. Auch in der Vollversammlung im Herbst 2024 haben wir uns dafür ausführlich Zeit genommen. Im derzeit noch gültigen LKJHG muss der Landesjugendring zum Landesjugendplan – also unseren maßgeblichen Zuschüssen – angehört werden. Dieses Recht wurde gestrichen, weshalb wir im Prozess deutlich darauf hingewirkt haben und noch wirken, dass im LKJHG eine Form einer zeitgemäßen und regelmäßigen parlamentarischen Befassung zum Thema Junge Menschen sowie den Finanzen verankert wird.

Insgesamt finden wir den Beteiligungsprozess wirklich gelungen und bedanken uns explizit beim Sozialministerium, namentlich dem Minister und dem Jugendreferat sowie für weitere Gespräche bei dir, Erwin [Köhler, Grüne], und den anderen Jugendpolitischen Sprechern.

Und wer sich fragt: Was macht denn der Vorstand, der Geschäftsführer oder die Geschäftsstelle des Landesjugendrings sonst so täglich?

BiRef-Novellierung

Nachdem die LKJHG-Novellierung nun fast abgeschlossen ist, geht es unmittelbar mit der Novellierung zur Verwaltungsvorschrift des Bildungsreferent*innen-Programms weiter.

Mit 47 Stellen für Bildungsreferentinnen und -referenten gibt es eine Grundversorgung für die Mitgliedsverbände im Landesjugendring und stellt deshalb ein wichtiges Fundamt für die Förderpraxis des Landes dar. Geregelt ist das Förderprogramm über die Verwaltungsvorschrift BiRef vom 3. September 2018. Nach Ziffer 10. Der VwV tritt diese Verwaltungsvorschrift zum 31. Dezember 2025 außer Kraft.

Deshalb möchte das Sozialministerium die Vorschrift unter Beteiligung auch des Landesjugendrings novellieren. Dabei soll die Vorschrift maßvoll weiterentwickelt werden. Einer der für uns wichtigsten Punkte wird sicherlich, neben einer generellen Sicherung der BiRef-Stellen, die Entwicklung der Zuschussquoten sein. In der VwV davor gab es eine Anteilsfinanzierung der Personalkosten. Derzeit gibt es eine Festbetragsfinanzierung mit einer jährlich festgeschriebenen Dynamisierung, die noch für das Jahr 2025 festgeschrieben ist.

Ob vor allem das Finanzministerium erneut eine Dynamisierung mitzeichnet, muss derzeit leider bezweifelt werden. Unterm Strich ist es egal, ob Festbetragsfinanzierung oder anteilsfinanziert. Es muss kommen und ist unsere Forderung, dass wir finanziell nicht hinter aktuelle Zusicherungen fallen dürfen und künftig höhere Personalkosten auch durch höhere Zuschüsse abgedeckt werden müssen.

Ehrenamt

Ein großes Projekt der Landesregierung ist die Einführung einer Ehrenamtskarte. Zuerst als Versuch in vier Regionen eingeführt soll die Ehrenamtskarte nun in ganz Baden-Württemberg ausgerollt werden. So zumindest der Wille der Landesregierung.

Erste Signale deuten jedoch darauf hin, dass sich nicht alle Landkreise beteiligen wollen. Für Ehrenamtliche natürlich fatal. Denn so wird Ehrenamt in Baden-Württemberg unterschiedlich anerkannt, was als Jugendverbände und Jugendringe völlig unverständlich ist. Das Land muss hier dringend nachbessern und vor allem auch die Ehrenamtskarte wesentlich attraktiver für Junge Menschen machen. Will Baden-Württemberg das Ehrenamtsland Nr. 1 in Deutschland bleiben, müssen die Anstrengungen fürs Ehrenamt gestärkt werden.

Auf der Tagesordnung stehen ja einige Anträge auch für die Stärkung des Ehrenamts. Auf der Tagesordnung von heute bildet sich aber auch die anstehende Landtagswahl 2026 ab. Viele Anträge und auch die Thementische [zum Antrag „Visionen ...“] drehen sich rund um die Wahl.

Landtagswahlen 2026

Wir wollen uns, unsere verbandlichen Themen und die Themen von Kindern und Jugendlichen einbringen. Deshalb gab und gibt es zahlreiche Gespräche mit politisch Verantwortlichen im Landtag sowie den Parteien, die ja im eigentlichen Sinn für die Landtagswahl zuständig sind. Wie bereits erwähnt, sind auch die Diskussionsrunden an den Thementischen ein weiterer Baustein dazu.

Wir möchten heute gerne Lust machen, dass ihr euch als Person, Verband oder Ring einbringt und gemeinsam mit uns für die Themen kämpft, die wir zum Teil ja heute noch beschließen werden. Wir werden Themen von Kindern und Jugendlichen sowie von uns nur dann in Koalitionsverhandlungen relevant werden lassen können, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen und am Besten noch in die gleiche Richtung.

Es gibt noch keine Bewilligung, jedoch sehr positive Signale, dass wir eine große Kampagne für eine werteorientierte Wahl über den Masterplan Jugend vom Sozialministerium bewilligt bekommen. Dies wäre eine einmalige Chance, öffentlichkeitswirksam wahrgenommen zu werden und für eine Wahlentscheidung aufgrund unserer Werte in den Jugendverbänden und Jugendringen zu werben.

Deshalb ist es auch gut, dass wir heute über unser Werteverständnis reden. Der Vorstand hat dazu den Antrag unter TOP 3.1 dazu eingebracht. In den Bogen zur Landtagswahl, die am 8. März 2026 stattfindet, spannen wir auch den Empfang der Jugendverbände am 7. Oktober in Stuttgart ein. Hierzu darf ich Euch im Sinne eines Save the dates herzlich schon heute einladen. Das wird mit Sicherheit ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Landtagswahl.

Wir bearbeiten jedoch auch Themen, die weit über die kommende Landtagswahl hinaus gehen. So hat die VV einen Vorstands-Schwerpunkt für das Gafög beschlossen.

Ganztagsförderungsgesetz (Gafög)

Auch und 15 Monate vor Beginn des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter, ist weiterhin vieles unklar. Vor allem aus Sicht des Landesjugendrings ist weiterhin die Umsetzung des Rechtsanspruchs in den Schulferien eine große Baustelle und seitens des Kultusministeriums eine große Leerstelle. Der Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“ zwischen CDU, CSU und SPD sieht auf Bundesebene zwar eine Öffnung für die Angebote der freien Träger vor, wie das jedoch ausgestaltet wird, ist weiter mehr als offen.

Auch das Thema Qualität, Personal und Finanzierung ist weiterhin in keinem Rahmen geklärt. Auf Einladung des Städtetags soll nun die „Vereinbarung der verlässlichen Kooperation“ für den Rechtsanspruch weiterentwickelt werden. Ob wir als Jugendverbände und Ringe da mitwirken können, wird sich mitunter an den Finanzen entscheiden: Entweder es stehen ausreichend Mittel planbar fest, oder eine Beteiligung wird sehr schwer bzw. unmöglich für uns. Gerade für die betroffenen Kinder wäre das jedoch ein großer Verlust an der Auswahl vielfältiger Angebote.

50 Prozent der jungen Menschen bezeichnen sich als politisch interessiert. Und ich vermute mal, hier im Raum bezeichnen sich 100 Prozent als politisch engagiert. Unsere Zeit ist jetzt, bauen wir uns heute die Zukunft, die wir uns wünschen.

Schaut einfach mal nach links und nach rechts. In jedem und jeder werden wir einen Partner oder Partnerin finden.

Ich freue mich nun auf eine spannende und inhaltlich volle Vollversammlung und Allen gute Begegnungen im Laufe des Tages.

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